„Auf den Spuren Jesu“, das war das Motto, unter dem wir das
Gelobte Land im Frühlingsmonat April durchwandert haben. Die
zehntägige Reise begann in Galiläa im Norden, führte uns
den Jordan hinunter bis in die Salzwüste und weiter bis an den
Rand der Negevwüste.
Die ersten Erkundungen machten wir im Nationalpark Korazim –
Stätte einer archäologischen antiken Stadt aus schwarzem
Basaltstein, die im Neuen Testament erwähnt wird –,
ausgerechnet einer jener Orte, in denen Jesu Lehren auf taube Ohren
stießen. Von hier aus hatten wir jedoch eine wunderschöne
Aussicht über die sanften Hügel des nordwestlichen Teils vom
See Genezareth. Weiter führte unser Weg zum Berg der
Seligpreisungen. Eine schattenlose Wanderung durch unendliche
Bananenplantagen. An diesem Berg hatten sich damals tausende von
Anhängern versammelt, um der Bergpredigt Jesu zu lauschen, die mit
den Seligpreisungen beginnt. Hier also hörte man IHM zu, im
Gegensatz zu Korazim. Weitere Bibel-Stationen auf unserer
Pilger-Wander-Reise: Kapernaum, wo ER lebte und wirkte, Wüste Juda
durchs Wadi Qelt zum Georgskloster mitten im steilen Felsen, Jericho,
die älteste Stadt der Welt, die auch heute noch als Stadt genutzt
wird, Taufstelle Jesu am Jordan, wo wir einen kleinen Gottesdienst
abhalten konnten, die Oase En Gedi in der Nähe des Toten Meeres,
Lots Frau als Felsen in der Salzwüste. An diesem Ort sollen sich
die Söhne Abrahams (Halbbrüder) in zwei Richtungen zerstreut
haben. Isaak gründete den israelitischen Stamm, Ismael wurde der
Stammvater der Muslime. In Bethlehem besuchten wir die Geburtsgrotte
Jesu, denn anders, als wir glauben, soll ER nicht in einem Stall,
sondern in einer Höhle geboren worden sein.
Am Ende unserer Reise verbrachten wir noch eineinhalb Tage in Jerusalem
mit seinen lauten und quirligen, ruhigen und orthodoxen Plätzen
und Winkeln, mit den jüdischen, christlichen und muslimischen
Stadtvierteln, mit der berühmten Klagemauer und mit der
Grabeskirche Jesu, die auf dem Berg Golgatha steht. Ein Teil des
Felsens ragt in die Kirche hinein und ist von den Berührungen von
Millionen von Menschen mittlerweile spiegelblank. Hier, an einer der
bedeutendsten Kulturschätze Israels, einem UNESCO-Weltkulturerbe,
endete unsere Reise auf Jesu Spuren. Es war wie eine Reise durch SEINE
Biografie, durch SEIN Leben, durch SEINE Leiden, SEINE Freuden. Eine
Reise voller Eindrücke und Geschichten, die erst einmal verdaut
werden wollen.
All diese Stätten sind in der Bibel erwähnt und beschrieben;
und zwar so beschrieben, dass wir es heute noch nachvollziehen
können.
Ein berührendes Erlebnis am Rande: Am 9. April waren in Israel
Wahlen. Unser Busfahrer (Palästinenser, Moslem mit israelischer
Staatsbürgerschaft) und unser Guide (Amerikanierin, Jüdin mit
israelischer Staatbürgerschaft) sind gemeinsam als Freunde
wählen gegangen im Kibbuz des israelischen Staatengründers
Ben Gurion. Das ist gelebter Frieden.
Was habe ich persönlich von der Reise mitgenommen?
Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie flüchtig Vorurteile sind.
Das habe ich innerhalb unserer Reisegruppe erlebt, aber auch im Land
Israel und Palästina, bei den Beduinen, auch in den Städten
Jerusalem und Bethlehem. Darüber bin ich sehr glücklich.
Ich bin mit einem jungen syrischen Ehepaar befreundet, das gerade sein
Studium abgeschlossen hat. Als ich von meiner Reise erzählte,
fragten sie mich, ob ich wüsste, dass die Moslems und die Juden
eigentlich Cousins seien? Ich konnte antworten: Ja, das weiß ich.
Jetzt weiß ich es.
Beide wollen, sobald sie endlich die deutsche Staatsbürgerschaft
haben, in ihr früheres Nachbarland Israel reisen, ihre
„Cousins“ besuchen.
Anette Schwohl